Die Ardennenoffensive


Oben: Das Grenadierregiment 164 wird verabschiedet und marschiert in Richtung Bahnhof.

Neuer Unterkunftsraum für die 62. Volksgrenadier Division wurde die Eifel, nahezu im gleichem Raum, in dem 1939/40 die alte 62. Infanterie Division gelegen und am Westfeldzug teilgenommen hatte. Der Division hatte man den Raum Schönecken - Habscheid - Pronsfeld zugeteilt. Dort zog man im Wald, leerstehenden Scheunen und Gehöften unter. Tagsüber durfte sich aus Gründen der Geheimhaltung niemand sehen lassen und der Funksprechverkehr wurde ebenfalls strikt untersagt.

Am 10. Dezember wurden sämtliche Divisions- und Regimentskommandeure zur Lagebesprechung und Befehlsausgabe zum Gefechtsstand der 5. Panzer Armee befohlen. Inhalt dieser Lagebesprechung waren die allgemeine Lage im Reich und die Befehle für den bevorstehenden Angriff, später die Ardennenoffensive genannt.
Für den Angriff hatte man bereitgestellt:

6. SS - Panzer Armee, rechter Flügel; Oberbefehlshaber SS Oberstgruppenführer Sepp Dietrich.
5. Panzer Armee, linker Flügel; Oberbefehlshaber General von Mannteufel.
7. Armee, Flankenschutz nach Süden; Oberbefehlshaber General Brandenberger.
Insgesamt mit zwölf Infanterie -, zwei Fallschirmjäger - und sieben Panzerdivisionen.
Als Reserveeinheiten stehen bereit zwei Panzer -, vier Infanterie - und eine Panzer
grenadier Division mit zusammen mehr als 1500 Panzern und Sturmgeschützen.
Unterstützt wurde durch Generalleutnant Josef Schmidt´s Luftkommando West mit
nahezu 1600 Flugzeugen.

Der Angriffsplan sah folgendes vor :

Durchbrechen der feindlichen Linien, dabei einen breiten Keil zwischen zwischen die amerikanischen und englischen Verbände zu treiben, möglichst viele feindliche Verbände einzukesseln und Antwerpen erneut Besetzen. Hierzu sollte das LXXIV. Ak. unter General Lucht mit der 18. - und 62. Volksgrenadier Division entlang der rechten Flanke auf St. Vith vorstoßen. Dazu sollte die 18. VGD die Schnee - Eifel nördlich bei Prüm - Bleialf umgehen und die 62.VGD um 5.30 Uhr zum Angriff übergehn, die Schnee - Eifel südlich umgehen und nach Wegnahme der erkannten Stützpunkte im Raum Großlangenfeld - Winterspelt - Heckhuscheid bis St. Vith durchstossen. Oberst von der Heydte´s Fallschirmjäger sollten die Brücken über die Maas erobern und freihalten. Soldaten des Unternehmens "Skorzeny" springen in amerikanischen und englischen Uniformen hinter den Linien ab und sollten durch Überfälle und Brückensprengungen Unsicherheit verbreiten und dadurch den alliierten Nachschub erschweren.
Für die Division hatte man folgendes geplant: Die Division durchbricht in breiter Front die amerikanischen Linien um die Straße Habscheid - Steinebrück - St.Vith frei zu bekommen. Rechts sollten das Grenadierregiment 190 auf Großlangenfeld, links das Regt. 183 auf Heckhuscheid - Heckhahlenfeld und in der Mitte das Grenadierregiment 164 als bewegliche Vorrausabteilung antreten mit dem Auftrag: Durchbruch über Winterspelt - Steinebrück auf St.Vith. Beabsichtigt war dabei ein überraschender Handstreich auf St.Vith und die Besetzung des Bahnhofes zur Sicherstellung amerikanischer Transportzüge mit Treibstoff.

Wegen der Geiheimhaltungspflicht war es nicht möglich, zuvor das Gelände auzukundschaften, gegen die gegenüberliegenden Verbände Aufklärung zu betreiben. Dazu kam winterliches Wetter, Temperaturen 3 Grad unter dem Gefrierpunkt und zu alledem noch 10 cm Schnee.

16. Dezember 1944; 3 Uhr Morgens. Wecken 3.30 Uhr, erste Befehlsausgabe und Verpflegungsempfang. Bis um 4.15 Uhr Frühstücken, überprüfen der persönlichen Ausrüstung und weiteres Aufmunitionieren der Waffen. 4.15 bis 4.45 Uhr erneute Befehlsausgabe vom Regimentskommandeur bis runter zum Gefreiten. Um Punkt 5.00 Uhr wird die Nacht durch Flakscheinwerfer mit künstlichem Licht erhellt. Der Nachteil dabei war, daß dieses Licht in der dunklen Nacht weithin sichtbar ist, nur unmittelbar betroffene Truppen blendet, und andere Truppen auf den Angriff aufmerksam machten.

Das II. Bataillon des Gren.Regt. 164 befand sich zur Reserve im Raum Brandscheid. Das I. Bataillon des Grenadier Regiment 164, ausgerüstet mit Fahrädern, zwei Sturmgeschützen der Panzerjägerabteilung, Artillerie und Pionieren wird zur "schnellen Abteilung". An der Spitze der 62. Volksgrenadier Division soll das Gren.Regt. 164 aus dem Bereitstellungsraum Habscheid - Steinmehlen - Pronsfeld angreifen. Der Divisionsgefechtsstand befindet sich in Schönecken, der des Regimentes in Habschied.

Als um 7.00 Uhr vom Grenadier Regiment 190 beim Divisionsstab die Meldung einging, dass der Waldrand nordwestlich Eigelscheid erreicht sei und der feindliche Widerstand nachgelassen habe, wurde die bewegliche Abteilung zum Vorstoss über Steinebrück auf St. Vith in Marsch gesetzt. Diese stiess in die vom Grenadier Regiment 190 bereits überlaufenen Feldstellungen bei Weissenhof und im Wald längs der Straße nach Winterspelt auf neuen feindlichen Widerstand, der erst gebrochen werden mußte.

Oberst Arthur Jüttner : "Unsere Schnelligkeit wurde auf Fahrädern abgewickelt, so beflügelt sollten wir schnellstens St. Vith nehmen. Erst wenn die beiden Schwester - Regimenter 183 und 190 ihre Angriffsziele erreicht hatten, sollte mein Angriff beginnen, wozu allerding erst noch die Straße von Habscheid nach St. Vith geräumt werden mußte, diese war noch durch Verteidigungsanlagen gespert. Dieses spätere Antreten meines Regiments geht auf einen Wunsch von mir bei der Befehlsausgabe zurück, vor dem Angriffsbeginn meines Regiments erst Weissehof, ca. 4 Kilometer entfernt, durch einen Angriff der beiden Schwester - Regimenter feindfrei zu machen.
Gegen 7.30 Uhr erhielten wir den Angriffsbefehl, leider auch, wie vorausgesehen sofort Feuer aus Weissehof, daß nicht Angegriffen worden war. Wir runter von den Fahrädern, diese schnell wegwerfen und die Kompanie für einen, notfalls für einen unvorbereiteten Angriff bereitstellen, alles blitzschnell in großer Dunkelheit, nur stellenweise durch einige Scheinwerfer milchig-weiß erhellt. Ich konnte schwere Granatwerfer einsetzen und befahl dem Bataillonskommandeur mit den beiden Sturmgeschützen anzugreifen.

Wenig später erhalten wir bei Eigelschied erneutes Feuer. Wir erhielten flankierendes Feuer und frontal aus der Richtung von Winterspelt. Wieder runter von den Fahrädern, diese wegwerfen ging sehr schnell. Ein Waldstück link war bald zu Ende. Von vorne hörten wir, zunehmend lauter, Kettengeräusche von Panzern. Als nächstes Angriffsziel befahl ich Winterspelt. Das Bataillon mußte von der Straße weg durch einen Wald, dabei mußten tiefe Schluchten überwunden werden. Nachmittags stieß ein Sturmgeschütz auf einen einzelnen feindlichen Panzer und schoß diesen ab."

Bis zu Einbruch der Dunkelheit kam die bewegliche Abteilung bis zu den einzeln stehenden Gehöften nördlich des Waldes in Sicht von Winterspelt vor, im halbkreisförmigem Bogen kam es hier in den nächsten Stunden zu heftigen Gefechten. Es dauerte bis Mitternacht, als die ersten Teile des Grenadierregiments 164 in Winterspelt Fuß fassen konnten.

A. Jüttner : "Erst am 2. Tage konnten wir Winterspelt einnehmen, wo noch im westteil und vor der Ortschaft Wallmerath Widerstand geleistet wurde. Hier erbeuteten wir einen US - Regimentsgefechtsstand mit einsatzbereiten Führungsmitteln, die schriftlichen Befehle lagen noch zu Hauf herum. Wir hielten uns damit nicht auf, griffen weiter in Richtung Walmerath an. Hauptmann Dr. Gebauer von der Artillerie war immer in meiner Nähe, stets einsatzbereit und wirkungsvoll in der artilleristischen Unterstützung, die bitter notwendig für uns war. Dr. Gebauer bereitete einen Feuerschlag der gesamten Abt. auf die Stellungen in und um Wallmerath vor. Bei Beginn der Dunkelheit war das Dorf genommen und der Feind rückte ab. Zugleich stand aber noch das Regiment 190 im Kampf um Großlangenfeld und das Regiment 183 im Kampf um Heckhuscheid und im Westteil von Winterspelt zeigten sich immer wieder feindliche Stoßtrupps. Auch am 18. Dezember war der Winterspelter Westteil noch nicht ganz feindfrei, wir erhielten Artilleriefeuer aus Richtung Elcherath. Der Widerstand bei Großlangenfeld und Heckhuscheid ließ nach. Der Plan des Handstreiches auf St.Vith wird aufgegeben und ich erhielt wieder mein II. Bataillon, daß ich um 9.00 Uhr zum Angriff auf Steinebrück und Elcherath ansetzte. (Der Kampf um Winterspelt forderte beiderseits mindestens 200 Tote.)

Hauptmann Dr. Horst Gebauer, Chef der II Abteilung im AR 162, setzte seine Abteilung immer als mobile Artillerie ein. Hierdurch konnten die Infanteriekräfte auf eine effektive Feuerunterstützung der Artillerie zählen. Selbst amerikanische Panzerangriffe blieben Liegen im Feuer der Artilleriegeschütze, die dazu in den direkten Beschuss übergingen.

Gebauer wurde am 3.3.1945 bei Schneppenheim verwundet und geriet in amerikanische Gefangenschaft. Nach dem Krieg war Gebauer Bürgermeister der Weinstadt Bingen.

Vorn plötzlich eine wilde Schießerei, ein Melder kam zurück: "Feindangriff !"Später erfuhren wir, daß CC B (Combat Comand Bravo) der 9. US Division hatte einen Gegenangriff gemacht. Tatsächlich war unsere Spitzenkompanie aufgerieben bzw. gefangengenommen worden. Nach Neuordnung ging es weiter, jetzt auf einer guten Straße. Bei Elcherath eroberten wir ein großes Verpflegungslager der Amerikaner.
Dann Fortsetzung des Angriffs auf Steinebrück. Das II. Bataillon erkämpfte Brüssel - Berg und erreichte Steinebrück. Während der Nacht flammten immer wieder Kämpfe auf. Das Regiment 190 hatte die Höhe bei Urb ereicht und das Regiment 183 wurde, nachdem es die Ortschaften Heckhuscheid und Heckhalenfeld eingenommen hatte, zur Divisionsreserve.
Am 19. Dezember wurde Steinebrück eingenommen. Die Ortschaft hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach den Besitzer gewechselt. Ich erhielt einen neuen Befehl; nicht mehr Angriff auf St. Vith, sondern Vorstoß nach Westen bis Lommersweiler und Hasselbach, dort zur Verteidigung übergehen.


Eine Panzerabwehrkanone der 7th Amored Division sichert am 23. Dezember 1944 eine Kreuzung und
Bahnlinie im Bereich von Vielsalm

Am 20. Dezember war mein Regimentsgefechtstand in Luxhof, Angriff auf Maspelt und Hasselbach, um Flankenbedrohung von Süden und Westen auszuschalten. Am 21. / 22. Dezember erfolgte ein Nachtangriff durch den Grüfflinger Forst in Richtung Grüfflingen - Thomen. Beide Ort wurden am 23. Dezember genommen. Feindliche Panzer wurden im Nahkampf ausgeschaltet, von Dorf zu Dorf, durch den Grüfflinger Forst wurde St. Vith südlich umgangen. Da ich merkte, daß der Feind nur noch wenig verteidigte und zu weichen begann, griffen wir weiter in Richtung Aldringen und Bovigny an. Abends gewannen wir Bovigny am Salm. Die US-Truppen zogen sich bei Vielsalm über den Salm zurück.

Luxhof : In diesem Gebäude hat sich der Gefechtsstand des Grenadierregimentes 164 vom 20. bis 23. Dezember Nachmittags befunden. Im Haus war der Gefechtsstand, an der Stelle wo sich die Scheune / Stallung links im Hintergrund befindet, wurde damals ein  Grab für die gefallenen Grenadiere aus dem Grüfflinger Forst errichtet. Oberleutnant Schwerdt: "Noch während sich der Hof inmitten der Frontlinie befand, gab Jüttner Befehl, dort seinen Gefechtsstand einzurichten. Unter schwerem Beschuss aus nördlicher und westlicher Richtung hatte der Gefechtsstand im Luxhof Quartier bezogen; die amerikanischen Linien waren nicht einmal 500 Meter entfernt und wurden zu diesem Zeitpunkt noch heftig umkämpft."

Am .23. Dezember erfolgte die  Verlegung des Gefechtsstandes nach Grüfflingen, dass unmittelbar zuvor eingenommen wurde. Der Gefechtsstand traf dort ein, noch während sich die Kämpfe in Richtung Thomen - Aldringen verlagerten und zog unter in dem Ortsbereich, in dem die Route von Luxhof nach Grüfflingen führt).

 

Vom Luxhof aus in westliche Richtung gesehen: Der Eingang des Grüfflinger Forstes. Das gesamte Wiesengelände im Blickfeld war übersät von Granattrichter und überall lag Kriegsmaterial herum.

Am rechten Waldrand befand sich die erste Stellungslinie der Amerikaner. Entlang der Straße geht es weiter in Richtung Grüfflingen - die Stellungen der Amerikaner wurden in der Nacht zum 21. Dezember angegriffen,  der Forst wurde im Nachangriff durchquert, nach anfänglichen Erfolgen mussten sich die deutschen Grenadiere jedoch wieder im Laufe des Vormittags bis auf Luxhof zurückziehen und erneut zum Angriff antreten. Mehrfach sind die Deckungslöcher der 106th US Infanterie  dort im Forst zu entdecken.

Erst nachdem es zu schweren und verlustreichen Kämpfen im Grüfflinger Forst gekommen war, zogen sich die Verteidiger der 106th US Infantry am 22. Dezember 1944 zurück auf Maldingen und Beho, um dort erneut in Stellung zu gehen.

 

Am 24. Dezember ereichen wir die Salm, die Straße ist nun frei für eigene Panzer, die 62.VGD zieht mit den Regimentern 183 und 190 nach. Nach der Einnahme von St. Vith und meinem Vormarsch an die Salm war eine Bresche in die Front geschlagen.

Die beiden VGD 18. und 62. hatten ihre Aufgabe erfüllt, wurden aber trotzdem weiter zum Angriff eingesetzt - Trois Ponts südwestlich Stavelot konnten wir noch einnehmen. Damit hatte die 62. VGD mit den gepanzerten Divisionen Schritt halten können und befand sich sogar im Nordabschnitt am weitesten westlich. Die Angriffe wurden in den nächsten Tagen weiter fortgesetzt, bis zum 27. Dezember konnten wir noch die Ortschaften St. Arbre Fontaine, Orlemont, Reharmont und Noire einnehmen.

Wir erfuhren, daß es den beiden Schwester - Regimentern 183 und 190, im Verein mit der 18. Volksgrenadier Division gelungen war, am 22.12.1944 St. Vith zu nehmen, wo sich der Gefechtsstand der 106. US - Infanterie Division befand.

Vorsichtig gefürte Panther und Tiger Panzer folgten den durchgebrochenen und kampferfahrenen Infanteristen, welche den Durchbruch durch die Linien der 1. US-Armee eingeleitet hatten. Die gesamte Kraft des Angriffes der 18. und 62. VGD schlug auf die erst seit 5 Tagen in der Front stehende 106. US Infanterie Division. Die beiden Regimenter 422 und 423 mit den Feldartillerie Bataillonen 589 und 590 wurden abgeschnitten und eingekesselt. Das 331 Medical Bataillon und 81. Combat Bataillon hatten schwere ausfälle.